Antwort zum Antrag

Antwort des Ministers zum Antrag gegen das Wiederanfahren

Mit Schreiben vom 05. September 2013 kam eine Antwort des zuständigen Ministers Dr. Robert Habeck:

Sehr geehrter Herr Dr. Hinrichsen, lieber Karsten,

ich danke nochmals herzlich für die Beharrlichkeit und Konsequenz, mit der Du und all die anderen so engagiert gegen Atomkraft vorgehen. Ohne Euch wäre ein Ausstieg nie gelungen, und ich bin ganz bei Euch, dass es wünschenswert  wäre, den Ausstieg noch schneller hinzubekommen als verabredet und sowohl Atommüll zu vermeiden wie das Risiko eines Unfalls zu minimieren.

Ich habe mir Deinen Antrag, die Begründung und auch die schriftliche Urteilsbegründung aus Schleswig sehr genau angeschaut und hier im Haus diskutiert. Um es vorwegzunehmen: Im Ergebnis steht für mich fest, dass auf der Basis des geltenden Rechts Deinem Antrag leider doch nicht entsprochen werden kann. Du wirst parallel zu diesem Brief einen „förmlichen Bescheid“ der Atomaufsicht hierzu erhalten.

Die Rechtsmaterie ist einerseits komplex, andererseits auch sehr klar. Das atomrechtliche Verfahren, das vorgenanntem Ergebnis vorausgeht, ist inhaltlich sehr eingegrenzt und bietet auch Bürgerinnen und Bürgern kaum Ansatzpunkte für rechtliche Schritte.

Das Wiederanfahren nach der Revision in Brokdorf bedarf nach einer Nebenbestimmung der gültigen Betriebsgenehmigung zwar einer atomaufsichtlichen Zustimmung, weil Brennelemente  gewechselt und Revisionsarbeiten durchgeführt wurden. Die Reaktorsicherheitsbehörde  hat dabei jedoch nicht etwa Untersuchungen in einem Umfang durchzuführen, als stellte sich die Genehmigungsfrage neu. Und auch ich als Minister bin an Recht und Gesetz gebunden. Der Weg zur vorzeitigen Stilllegung Brokdorfs kann erfolgreich wohl nur politisch beschritten werden.

Der Bundesgesetzgeber sagt im Prinzip, dass das Restrisiko bei dem Weiterbetrieb von Brokdorf hinzunehmen ist. Aus meiner Sicht muss das wieder und wieder überprüft werden. ln Fukushima haben menschliche Fehleinschätzungen und Fehlhandlungen erneut zu einer Katastrophe geführt.

Das Atomgesetz ist zwar gelegentlich reformiert worden. Die Grundzüge dieses Gesetzes, dass in Deutschland Atommeiler – wenn auch nur noch begrenzte Zeit – weiter betrieben werden dürfen und das damit verbundene Restrisiko dieser Anlagen vom Bundesgesetzgeber hingenommen wird, haben sich allerdings auch durch die 13. Atomgesetz-Novelle
im Jahre 2011 nicht wirklich geändert. Zwar hat vor zwei Jahren rund die Hälfte der noch
betriebenen Atomkraftwerke in Deutschland die Erlaubnis zum Leistungsbetrieb verloren. Die privilegierte Rechtsstellung der Betreiber der verbliebenen Reaktoren wurde aber nicht erschüttert. Dennoch fand diese Gesetzesänderung in Bundesrat, Bundestag und Bevölkerung breite Zustimmung – immerhin wurde der Atomausstieg beschleunigt. Dass dieser Atomausstieg mit dem Aufwachsen der Erneuerbaren Energien und dem fortschreitenden Alter der Reaktoren schneller als geplant erfolgen sollte, ist ebenfalls Mehrheitsmeinung, die ich nachdrücklich unterstütze. Der Königsweg zur Realisierung wäre allerdings eine weitere Atomgesetznovelle – und die setzt entsprechende politische Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag voraus.

Im schleswig-holsteinischen Koalitionsvertrag steht folgender Satz:
„ln Verbindung mit dem neuen kerntechnischen Regelwerk, der Nachrüstungsliste des Bundesumweltministeriums und den Empfehlungen der Reaktorsicherheitskommission werden wir prüfen, ob das AKW Brokdorf aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden muss.“

Das ist eine Ankündigung und auch ein Auftrag. Es ist ein Auftrag für mich und für die Fachleute, die in meinem Ministerium für Reaktorsicherheit und Strahlenschutz zuständig sind. Dass diese Fachleute sehr gute Arbeit leisten, ist meine feste Überzeugung. Wer die unsägliche, langjährige Diskussion über das „neue Regelwerk“ mit Aufmerksamkeit verfolgt hat, der weiß, dass eine Vielzahl von Kritik und Vorschlägen für eine Reform gerade aus Schleswig-Holstein gekommen ist. Leider scheiterte eine ganze Reihe von Initiativen entweder am Bund oder an kernenergiefreundlichen Bundesländern, die Restriktionen möglichst vermeiden wollten. Entsprechendes gilt für die „Nachrüstungsliste“, die übrigens im Ausgangspunkt ein Paket zur Sicherheitsverbesserung für beabsichtigte Laufzeitverlängerungen  darstellen sollte. Und die –  im Übrigen unverbindlichen – Empfehlungen der Reaktor-Sicherheitskommission wie auch die Empfehlungen der EU-Kommission leiden an dem Makel, dass beide nicht auf vor Durchführung der Untersuchungen definierten Prüfkriterien und Bewertungsmaßstäben beruhen. Beim EU-Stresstest ging es auch gar nicht darum, das Sicherheitsniveau der Anlagen zu beurteilen, sondern zu beschreiben, wie die Anlagen reagieren, wenn deren Sicherheitssysteme zur Störfallbeherrschung ausfallen –
mit anderen Worten, wenn etwas geschieht, was eigentlich nach den gebotenen Maßstäben der Störfallvorsorge praktisch ausgeschlossen  sein soll.

Ich befürchte, dass Ihr das als Abwiegeln versteht. Selbstverständlich nehme ich und nimmt die Atomaufsichtsbehörde den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag sehr ernst. Schon wegen der geschilderten unveränderten Struktur des Atomrechts war es aber nicht möglich, in den Koalitionsvertrag zu schreiben: „Wir werden das AKW Brokdorf abschalten.“

Ich hoffe, lieber Karsten, dass Ihr, wenn Ihr meine Ausführungen innerhalb der Initiative „Brokdorf-akut‘ diskutiert, Verständnis aufbringen werdet- Verständnis dafür, dass keine Kongruenz besteht zwischen meiner politischen Positionierung zur Abschaltung des A’t<M/ Brokdorf und zum schnelleren Atomausstieg einerseits und den Handlungsmöglichkeiten eines für die Atomaufsicht verantwortlichen, an Recht und Gesetz gebundenen Ministers andererseits. Der wahre Schlüssel zum Erfolg liegt beim Bundesgesetzgeber.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Robert Habeck