Fasslager Brunsbüttel

Durchgerostete Atommüllfässer

 

Fotos: Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration, Kiel


Karsten Hinrichsen
26.2.2014

Die vorläufige Geschichte von den Rostfässern in Brunsbüttel

Beim Betrieb eines AKW fallen nicht nur abgebrannte und defekte Brennelemente an, sondern auch schwach- und mittelaktive Stoffe, z. B. Putzlumpen und Bekleidung, Kabel, Metalle, Ionentauscher, Filterkonzentrate (Pulverharze), Verdampferkonzentrate. (Von den Nuklidemissionen über die Luft und das Abwasser wird hier nicht gesprochen. Auch nicht von den Umwelt- und Gesundheitsbelastungen beim Uranabbau und dessen Anreicherung).

Neben der Minimierung der Strahlenbelastung wird auch die Reduzierung des Abfallvolumens angestrebt, letzteres, um die Zwischen- und Endlagerkapazitäten klein und damit kostengünstig zu gestalten. Jedoch sollte (meiner Meinung nach) der Strahlenschutz höhere Priorität genießen.

1. Die brennbaren Abfälle wurden ins Belgische Mol zum Veraschen geliefert, derzeit werden sie ins Schwedische Studsvik „zur Volumenreduktion“ transportiert.
Im Zuge des Transnuklear-Skandals 1987/88 (dazu findet sich viel Material bei google) erhielt der damalige Betreiber des AKW Brunsbüttel 21 Fässer à 200 Liter mit Asche zurück, denen Plutonium und Kobalt 60 beigemischt worden war. Der tatsächliche Inhalt dieser Fässer ist nicht bekannt. Es wurden aber aus 2 Fässern Proben im Kernforschungszentrum Jülich entnommen. Man geht davon aus, dass der Inhalt der übrigen Fässer ähnlich ist. Es gab auch ein „Blähfass“.

Mit Genehmigung vom 11.7.1988 erteilte die Atomaufsicht eine Erlaubnis „zum Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen“, so hießen die Mol-Fässer nun. Seitdem lagern die 21 Fässer in Kaverne V „bis zur Rücklieferung nach Mol“.

Das Bergen dieser seit 25 Jahren dort abgestellten, Pu enthaltenden Fässer dürfte besonders heikel sein, zumal in Kaverne V auch noch 8 stark verstrahlte Pumpenläufer aus dem Reaktordruckbehälter lagern.

Ob die Mol-Fässer jemals wieder zurück nach Mol transportiert werden, dürfte mehr als fraglich sein.

2. Die Verdampferkonzentrate lagern in den Kavernen in 200 l Rollreifenfässern. Da sie noch (Rest)Feuchtigkeit enthalten, die zu Rostbildung führen kann, werden diese Fässer in Mosaikbehälter Typ IV gestellt, der Zwischenraum mit Spezialbeton ausgegossen, und der Behälter in die Bereitstellungshalle bis zum späteren (wann?) Abtransport nach Schacht Konrad gestellt.

3. Die Pulverharze sollen laut Vorschrift trocken in 200 l Rollreifen-Stahlfässer eingefüllt werden. Trotz entsprechender Anweisung im Betriebshandbuch, der Kontrolle durch den Tüv und die Atomaufsicht ist das offensichtlich nicht bei allen Fässern gelungen. Mittlerweile ist klar, dass der Rost im Inneren der Fässer beginnt.

Im Betriebshandbuch/in der Einlagerungserlaubnis ist nicht vorgeschrieben, dass die Fässer kontrolliert werden müssen. Man muss (anders als der Bevollmächtigte von Vattenfall, Pieter Wasmuth, es im SH-Magazin am  ….  darstellte) davon ausgehen, dass die Fässer in den Kavernen niemals inspiziert wurden, weil die Strahlenbelastung zu hoch ist und auch kein Platz zwischen den die Fässer tragenden Gestellen vorhanden ist. (Beim ferngesteuerten Befüllen und Entladen der Kavernen wird man mit einer Taschenlampe hineingeleuchtet haben, doch die zu unterst stehenden Fässer waren so nicht einsehbar.)

In Kaverne IV wurden im Februar 2014 mit einer Spezialkamera 18 von 70 Fässern als verrostet identifiziert.

Es wurden bisher mindestens 3 Fässer mit starkem Rost geborgen: Fässer Nr. 1523 und 1324, sowie Fass Nr. 1384, bei dem entdeckt wurde, dass Filterharz (entgegen der Spezifikation) in flüssiger Form ausgetreten ist.

Mit Fass 1324 hat es eine besondere Bewandnis: (Hier muss noch nachgetragen werden, dass – bevor die Pulverharz-Umsauganlage (Pusa) zum Einsatz kam – bereits 678 Fässer aus den Kavernen entnommen wurden, von denen ich nicht weiß, wie sie damals behandelt wurden.) Ende März 2012 befanden sich noch 631 Fässer in den sechs Kavernen.)

Am Fass 1324 wurde im Dezember 2011 starker Rost entdeckt, nachdem es aus der Kaverne geholt worden war (das Foto liegt vor.) Im Januar 2012 wurde das Fass völlig zerstört vom Tüv entdeckt. (Mich würde interessieren, ob der Tüv-Mitarbeiter für seine Meldung entlassen wurde.) Es ist wohl das meistfotografierte Fass weltweit. (Das Foto liegt vor.)

Was war passiert?
Mit Datum vom 5.10.2011 war dem Betreiber der Zustimmungsbescheid erteilt worden, unter Benutzung eines Staubsaugers (Pusa) Fässer trockenen Inhalts zu entleeren und bis zu 10 endlagerfähige Gusscontainer Typ VI mit getrockneten Filterharzen zu befüllen.
Normalerweise dauert das Absaugen ca. 3 bis 4 Stunden. Für Fass 1324 erhielt ich zwei Auskünfte: Es wurde vergessen, die Pusa über Nacht abzuschalten, so dass der Staubsauger die stark korrodierte Fasswand in sich hineingesaugt hat (ob das Fass beim Saugen gedreht wird, weis ich nicht). Die andere Version lautet: Die Filterharze ließen sich nur schlecht absaugen, so dass die Pusa das Fass ca. 8 Stunden „bearbeitet“ hat.

Wird ein Fass derart weitgehend zerstört, ist mit einer erhöhten Strahlenbelastung für die Mitarbeiter zu rechnen. Deshalb wird gefordert, dass die verrosteten Fässer nicht mehr mit der Pusa entleert werden dürfen.

4. Die entleerten Fässer werden in einer Dekontaminationsbox per Hochdruckreiniger und Wasser gereinigt und dekontaminiert. Das bei der Reinigung anfallende Wasser muss seinerseits filtriert und möglichst weitgehend von Radionukliden befreit werden.
Die leeren Fässer werden wie folgt „entsorgt“:
a. Falls ein Fass nicht freigemessen werden kann (d. h. bestimmte Grenzwerte der radioaktiven Kontamination können nicht unterschritten werden), wird es in Folie eingeschweißt und zwischengelagert.
b. Falls gerade viel Abfall im AKW anfällt, können die Fässer im Kontrollbereich als Abfallbehälter für Metalle, Kunststoffe, Lappen usw. genutzt werden.
c. Kann das Fass freigemessen werden, wird es gepresst und als Metallschrott entsorgt und kann als Zahnspange oder Bratpfanne wieder in den Wirtschaftskreislauf gelangen.

5. Eine EDV-gestützte Dokumentation nach § 73 der Strahlenschutz-
verordnung existiert seit 1988 (Transnuklear-Skandal). Darin wird für jedes Fass der Inhalt, der Verarbeitungszustand, Herkunft, Standort, Umlagerung, Verbleib usw. gespeichert. Für detaillierte Angaben müsste eine Liste angefordert werden.

s. auch unter  Info


Pressemitteilung der Reaktoraufsicht Schleswig-Holstein vom 08.01.2014

Fässer mit radioaktiven Abfällen im Kernkraftwerk Brunsbüttel werden auf Korrosionsschäden überprüft

KIEL. Im Kernkraftwerk Brunsbüttel beginnt heute (8. Januar 2014) die Inspektion von hunderten von stählernen Rollreifenfässern. Ziel ist es festzustellen, inwieweit die Fässer von Korrosion befallen sind. Anfang 2012 hatte der von der schleswig-holsteinischen Reaktorsicherheitsbehörde beauftragte TÜV NORD ein stark korrodiertes Abfallfass im Kernkraftwerk Brunsbüttel entdeckt.

Die schleswig-holsteinische Reaktorsicherheitsbehörde hält es für wahrscheinlich, dass noch weitere Fässer derart stark von Rost befallen sind, dass sie nicht mehr ohne weiteres angehoben und zum Zwecke der Umverpackung entleert werden können. Auf Basis der Inspektionsergebnisse muss deshalb der Betreiber des Kernkraftwerks gegebenenfalls eine wirksame Bergungseinrichtung konstruieren. Mit einer solchen Einrichtung sollen auch stark verrostete Fässer angehoben und deren Inhalt in sichere Behältnisse umverpackt werden.

Die Fässer lagern in 6 Kellerräumen, den sogenannten Kavernen, des Kernkraftwerks. In den 631 Stahlfässern werden radioaktive Abfälle (Filterharze, Verdampferkonzentrate und Mischabfälle) aus dem Leistungsbetrieb des Reaktors aufbewahrt. Die Kavernen befinden sich im Keller des Feststofflagers. Sie sind nur von oben zugänglich und dort durch 110 cm dicke Betonriegel abgeschirmt. Diese Betonriegel reduzieren die Strahlung so weit, dass oberhalb der Kaverne unter Strahlenschutzmaßnahmen gefahrlos gearbeitet werden kann. Die Ortsdosisleistung im Kontrollbereich wird durch festinstallierte Messeinrichtungen überwacht. Aufgrund der Ergebnisse der Strahlenschutzüberwachung steht fest, dass es bisher zu keiner Gesundheitsgefährdung für das Personal oder die Bevölkerung gekommen ist.

Auch im Hinblick auf die Inspektionsarbeiten sind alle erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen getroffen, um den Strahlenschutz für das Personal wie für die Bevölkerung zu gewährleisten. Die Reaktorsicherheitsbehörde hat sich aufgrund umfangreicher radiologischer Analysen und Betrachtungen davon überzeugt, dass die Öffnung der Betonriegel und die Arbeiten an den geöffneten Kavernen im Hinblick auf den Schutz des Bedienungspersonals und der Bevölkerung unbedenklich sind. Die Einhaltung der Strahlenschutz- sowie der Handhabungsvorschriften (wie Betonabschirmungen, Fernbedienung, vorsorglicher Atemschutz)  werden von der Reaktorsicherheitsbehörde mit Unterstützung durch Sachverständige des TÜV NORD und der EnergieSysteme Nord überwacht.

Hintergrund:

Nachdem das korrodierte Fass Anfang 2012 entdeckt worden war, hatte die Reaktorsicherheitsbehörde die Betreibergesellschaft schriftlich aufgefordert,
.  die Kavernen wieder mit Betonriegeln abzudecken und alle Arbeiten an den Kavernen vorläufig abzuschließen,
.  Aerosol-Messstellen zu installieren, um die an den Kavernen und am dortigen Abwassersumpf evtl. auftretende Radioaktivität zu überwachen,
.  die Konstruktion und den Zustand der Kavernen unter Beteiligung der Obersten Bauaufsichtsbehörde zu bewerten,
.  ein Konzept zur Handhabung korrosionsgeschädigter Fässer einschließlich der Umrüstung von Greifer und Umsauganlage vorzulegen,
.  das Umsaugen von getrockneten Filterharzen erst nach Umrüstung der Um-sauganlage und Einsatz des neuen Fassgreifers sowie Zustimmung der Atomaufsicht fortzusetzen.

Die Reaktorsicherheitsbehörde hatte von der Betreibergesellschaft außerdem verlangt, vor einer Inspektion der Kavernen den Kran im Feststofflager zu ertüchtigen. Dies ist zwischenzeitlich geschehen. Der Feststofflagerkran wird benötigt, um die Betonriegel der Kavernen anzuheben und so die Kavernen für die Inspektionen und zu einem späteren Zeitpunkt auch für die Bergung der Fässer zu öffnen. Die Ertüchtigungen bestanden in einer Änderung der sogenannten Krantraverse und einer Verbesserung der Lastanschlagpunkte. An diesen Lastanschlagpunkten erfolgt die Verbindung des Krans mit dem Betonriegel. In den vergangenen zwei Jahren hat Vattenfall zudem ein Inspektionsprogramm zur Untersuchung der Kavernen bzw. der darin gelagerten Fässer erarbeitet.

Ausführliche Fragen und Antworten zu dem Thema finden Sie im Internet unter

http://www.schleswig-holstein.de/UmweltLandwirtschaft/DE/ReaktorsicherheitStrahlenschutz/Reaktorsicherheit/Brunsbuettel/Faq/faq.html

Verantwortlich für diesen Pressetext: Nicola Kabel | Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume | Mercatorstr. 3, 24106 Kiel | Telefon 0431 988-7201 | Telefax 0431 988-7137 | E-Mail: pressestelle@melur.landsh.de


Pressemitteilung vom 07.03.2012

Atomaufsicht stoppt Umlagerungen im Feststofflager des KKW Brunsbüttel

AKW Brunsbüttel: Korrodierte Fässer entdeckt
BRUNSBÜTTEL/KIEL. Im Feststofflager des Kernkraftwerks Brunsbüttel (KKB) sind korrodierende Stahlblechfässer entdeckt worden. In den in unterirdischen Kavernen gelagerten rund 500 Fässern befinden sich schwach- und mittelradioaktive Abfälle aus dem Reaktorbetrieb (Filterharze, Verdampferkonzentrate). Diese Abfälle werden zur Zeit auf die Endlagerung im Schacht Konrad vorbereitet und dafür in Gusscontainer umgefüllt. Am 10. Januar 2012 wurden vom TÜV Nord im Rahmen regelmäßiger Kontrollen bei einem bereits entleerten Fass sehr starke Korrosion und eine Zerstörung des Fassmantels festgestellt. Der Fassinhalt war zuvor ordnungsgemäß in der hierfür vorgesehenen Umsauganlage aufgefangen worden. Auf Drängen der Aufsichtsbehörde hat die Betreiberin inzwischen zahlreiche Stellungnahmen zum Vorgang abgegeben.
„Wichtig ist zunächst, dass keine unzulässige Radioaktivität freigesetzt wurde und keine Gefahr für Mitarbeiter und Anwohner besteht“, erklärte der für die Atomaufsicht zuständige Minister Emil Schmalfuß heute (7. März). „Nach sorgfältiger Auswertung aller bisher vorliegenden Informationen haben wir aber festgestellt, dass weitere Fässer zum Teil erhebliche Korrosionserscheinungen aufweisen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Handhabungen (Anheben, Verfahren, Umsetzen, Absetzen) solcher Fässer radioaktive Stoffe freigesetzt werden. Deshalb haben wir umgehend die Betreiberin schriftlich aufgefordert:
die Kavernen wieder mit Betonriegeln abzudecken und alle Arbeiten an den Kavernen vorläufig abzuschließen,
Aerosol-Messstellen zu installieren, um die an den Kavernen und am dortigen Abwassersumpf evtl. auftretende Radioaktivität zu überwachen,
die Konstruktion und den Zustand der Kavernen unter Beteiligung der Obersten Bauaufsichtsbehörde zu bewerten,
ein Konzept zur Handhabung korrosionsgeschädigter Fässer einschließlich der Umrüstung von Greifer und Umsauganlage vorzulegen,
das Umsaugen von getrockneten Filterharzen erst nach Umrüstung der Umsauganlage und Einsatz des neuen Fassgreifers sowie Zustimmung der Atomaufsicht fortzusetzen.“
„Wir erwarten von Vattenfall zudem, sich zur unterbliebenen Meldung dieses Vorfalls zu äußern“, so Schmalfuß weiter. „Obwohl die Zerstörung des Fasses von der Betreibergesellschaft (laut derer Unterlagen) bereits am 15. Dezember 2011 festgestellt wurde, sind wir darüber nicht informiert worden – da es sich nach Ansicht der Betreiberin nicht um ein meldepflichtiges Ereignis handele. Das mag nach den Paragraphen des Atomgesetzes vielleicht sogar richtig sein, ich halte es aber angesichts der Bedeutung des Vorfalls für zwingend erforderlich, dass die Atomaufsichtsbehörde darüber umgehend informiert wird. Zumal Vattenfall nach den Erfahrungen der Vergangenheit eine verbesserte Kommunikation auch verbindlich zugesagt hatte“, betonte Schmalfuß.
Die Atomaufsicht hat darüber hinaus eine Überprüfung der Lagereinrichtungen für radioaktive Abfälle in den anderen Kernkraftwerken in Schleswig-Holstein und dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht (vormals GKSS) eingeleitet. Abschließende Ergebnisse dieser Überprüfung liegen noch nicht vor.
„Wir haben außerdem das Bundesumweltministerium über den Sachverhalt informiert“, sagte Schmalfuß. „Ich denke, es sollten bundesweit in allen KKW diese Lagerstätten überprüft werden. Viele der Fässer wurden in einer Zeit eingelagert, als noch niemand damit rechnete, dass der Atommüll für Jahrzehnte an den Anlagenstandorten verbleiben müsste, weil auch dafür ein Endlager immer noch nicht verfügbar ist. Der Bund muss deshalb jetzt bei der aktuell anstehenden Novellierung des Kerntechnischen Regelwerkes präzisierte und strengere Sicherheitskriterien entwickeln, auch für die vorübergehende Lagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle an den Kraftwerksstandorten. Solche Kriterien sind erforderlich, damit eine Landesatomaufsicht belastbare Anordnungen treffen kann.“

Weitere Informationen:
Reaktorsicherheit, Strahlenschutz

Verantwortlich für diesen Pressetext: Oliver Breuer | Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration | Lorentzendamm 35, 24103 Kiel